„Ohne Moos nix los …“ Kirchenfinanzierung im Wandel der Zeiten

„Ohne Moos nix los …“ Kirchenfinanzierung im Wandel der Zeiten

Organisatoren
Geschichtsverein und Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart
Ort
Weingarten
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
14.09.2023 - 16.09.2023
Von
Joachim Bürkle, Lehrstuhl für Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit, Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Die Finanzen der Kirchen gerieten in der letzten Zeit immer wieder in den Fokus des öffentlichen Diskurses. Dabei standen zuletzt insbesondere die Staatsleistungen an die Kirchen im Zentrum, sahen doch verschiedene Gesetzesanträge aus ganz unterschiedlichen politischen Richtungen eine Ablösung derselben vor, und auch im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien wurde zuletzt ein im Dialog mit den Ländern und Kirchen zu erarbeitendes Grundsätzegesetz anvisiert, das einen fairen Rahmen für diesen Prozess gewährleisten solle. Dies trifft sich mit einem fortschreitenden Verständniswandel im Hinblick auf das Verhältnis von Staat und Kirche, greift doch in einer kritisch eingestellten Öffentlichkeit zunehmend ein Staatsverständnis Raum, das staatliche Finanzleistungen an die Kirchen trotz deren historischer Rechtfertigung als Verletzung des prätendierten Grundsatzes einer Trennung von Staat und Religion sowie der weltanschaulichen Neutralität des säkularen Verfassungsstaates betrachtet.

Die Tagung des Geschichtsvereins und der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart traf insofern genau den Nerv der Zeit, griff sie doch zentrale Aspekte der aktuellen Debatte auf und ging unter historiographischer Perspektive den komplexen Strukturen der Finanzierung kirchlicher Grundvollzüge wie auch kirchlich-gesellschaftlichen Engagements sowie den engen Verflechtungen auch noch der heutigen Kirchenfinanzierung mit einer geschichtlichen Entwicklung von Jahrhunderten nach.

ANNA OTT (Mainz) ordnete die Einführung von Kirchensteuer(n) im 19. Jahrhundert auf der Grundlage der im Reichsdeputationshauptschluss festgelegten finanziellen Versorgungspflicht des Landesherrn in den Kontext durch Vermögenssäkularisation, Pfründverlust und Zehntablösungen (etc.) veränderter Kirchenfinanzierungsmöglichkeiten ein. Dabei deutete sie die Kirchensteuer als Antwort auf die Finanznot der Kirchen im 19. Jahrhundert, die jedoch vonseiten des Staates gegen kirchliche Widerstände durchgesetzt werden musste. Ausgehend von der Festschreibung der Kirchensteuer in Art. 137 der Weimarer Reichsverfassung und im Schlussprotokoll zu Art. 13 des Reichskonkordats (1933) wurde deutlich, wie durch die Einführung der Diözesankirchensteuer das Kirchensteuerwesen ab den 1950er-Jahren zentralisiert wurde, was einen Finanzausgleich zwischen den Pfarreien ermöglichte und zum Aufbau einer neuen Verwaltungsstruktur der Diözesen führte.

WINFRIED ROMBERG (Würzburg) zeigte am Beispiel des Bistums und Hochstifts Würzburg, wie das aus dem Mittelalter vielgestaltig erwachsene Abgaben- und Finanzwesen eines geistlichen Staates im Übergang zum frühmodernen Steuerstaat im Dienst der Fürstenherrschaft umgestaltet wurde und es so gerade im frühneuzeitlichen fürstbischöflichen Finanzwesen nicht nur zu einer größeren Vereinheitlichung, sondern auch zu einem wesentlichen Auftrieb im planmäßigen Ausbau der reichsständischen Bistümer zu regelrechten Kleinstaaten mit geordnetem und funktionalem administrativen Apparat kam. Dieser Beitrag ist deshalb umso erhellender, als das Forschungsgebiet der historischen Kirchen- und Bistumsfinanzierung trotz des Quellenreichtums kaum tiefergehend erschlossen ist. Da von einer kirchlichen Finanzautonomie auf interner Bistumsebene in der Frühneuzeit nicht die Rede sein konnte, zeigte Romberg für die geistlichen Staaten auch hinsichtlich des Finanzwesens einen harmonistischen Entwurf eines symbiotischen Konfessionsstaates, in dem der geistliche Staat nach innen die Regierungsautorität gegenüber der Untertanenschaft verkörperte und in wirtschaftlicher Hinsicht im Gegenzug wesentlich auf die Finanzkraft des Klerus, vor allem der Klöster und Stifte, angewiesen war. Mit Blick auf die nachtridentinischen Reformbischöfe wies er die stärkere Berücksichtigung der materiellen Implikationen einer erneuerten geistlichen Disziplin in der Forschung zur katholischen Reform und Konfessionalisierung als Desiderat auf.

DANIEL BERGER (Göttingen) behandelte die mittelalterliche Kanonikerversorgung an Stiftskirchen im Erzbistum Köln und skizzierte einige Entwicklungslinien des stiftischen Präbendalsystems von den Anfängen der Kanonikergemeinschaften in karolingischer Zeit bis ins 14. Jahrhundert. Herausgestellt wurde, dass die Kanonikerversorgung ursprünglich aus einer Vielzahl von Reichnissen in Naturalien, Viktualien und auch Geld bestand, die den Kanonikern im Wochentagsrhythmus und/oder anlässlich besonderer Liturgien (Kirchen- und Heiligenfeste, Totengedächtnisse) ausgegeben wurde. Im Zuge des wachsenden Geldanteils bei den Reichnissen und dem Aufweichen der vita communis zugunsten einer wachsenden Selbstversorgung wurde die Stiftsökonomie im frühen 14. Jahrhundert rationalisiert und reformiert (Beginn der Rechnungslegung; Umstellung der hochfrequenten Reichnisstruktur auf Auszahlung fixer Geldbeträge an wenigen Terminen im Jahr). Dadurch begann sich der ursprünglich enge Konnex zwischen leiblicher Versorgung und liturgischem Dienst aufzulösen, wodurch die Kanonikerpräbende erst zu einem relativ variabel und auch mehrfach (Pfründenkumulation) zu nutzenden Versorgungstitel wurde.

NICOLA WILLNER (Würzburg) zeigte am lokalhistorischen Beispiel der Prädikatur an St. Jakob in Schwandorf die Transformationen einer Präbendestiftung vom Spätmittelalter über die Reformation bis zur katholischen Reform auf. Dabei ordnete sie die Entstehung der Prädikaturen als einer klassischen Institution des 15. Jahrhunderts in den Kontext der Bildungsreformen im theologischen Bereich ein. Als zentrale Entwicklungsmarksteine für die Prädikaturen in der Reformationszeit kamen der Wegfall sämtlicher Messtiftungen, der im Herzogtum Pfalz-Neuburg mit einem Einzug der Pfründeinkünfte verbunden war, sowie die Konzentration der Einnahmen aller Pfründen einer Gemeinde im ‚Gemeinen Kasten‘ in den Blick, sodass es nun zu einer Separation der Einnahmen der Predigerpfründe und der Besoldung des Prädikanten kam. Dass die Prädikatur an St. Jakob nach der Rekatholisierung Schwandorfs ab 1617 nicht mehr besetzt wurde, erschien als regionalgeschichtlicher Beleg für eine während der Reformationszeit erfolgte protestantische Konnotation der Prädikaturen, aufgrund derer diese als Instrumente der Rekatholisierung für katholische Landesfürsten ausfielen.

HARM KLUETING (Köln) untersuchte den Diskurs über Kirche und Kirchenvermögen im ausgehenden 18. Jahrhundert anhand der Kritik an der „Toten Hand“ sowie den Amortisationsgesetzen einerseits in Österreich und in den Österreichischen Niederlanden, andererseits in Bayern. Dabei zeigte er auf, dass der ursprünglich im Feudalrecht entwickelte Terminus der „Toten Hand“ erst sukzessive mit der Entwicklung des Benefizialwesens nach lehnsrechtlichen Formen in den kanonistischen Bereich eindrang, da Inhaber der „manus mortua“ aufgrund von Stiftungen ad pias causas oder des Besitz- und Vermögensverzichts von Ordensmitgliedern fast immer kirchliche Institutionen bzw. Kleriker waren. Während sich in einem historischen Überblick über die sukzessive verstärkten Versuche der weltlichen Macht, große Vermögenskonzentration in kirchlicher Hand zu beschränken, zeigte, dass diese in der städtischen Amortisationspolitik im 14. und 15. Jahrhundert zu einem ersten Höhepunkt gelangten und anschließend auch von den Landesherren übernommen wurden, was theologisch als Einschränkung der unzulässigen Vermischung von Seelsorge und Vermögenskumulation begründet wurde, kam es in der Aufklärungsepoche zu einer Verschärfung dieses Vorgehens, wobei in der kirchenkritischen Literatur ab 1760 antimonastische Polemik dominierte. Waren in der älteren Amortisationsgesetzgebung jedoch primär Immobilia betroffen, wurde nun sowohl in den österreichischen wie den bayerischen Verordnungen auch der Kapitalerwerb eingeschränkt, wobei die Initiative nicht mehr vom landständischen Adel, sondern vom städtischen Bürgertum ausging. Städtisches Bürgertum, landständischer Adel und kirchliche Vermögensträger erscheinen dabei als Parteien eines Konkurrenzkampfs, als dessen Ausdruck die Kritik an der kirchlichen „Toten Hand“ im ausgehenden 18. Jahrhundert interpretiert werden kann.

DOMINIK BURKARD (Würzburg) deutete den aktuellen Diskurs um die Staatsleistungen auf der Grundlage des nicht umgesetzten Verfassungsgebots der Weimarer Reichsverfassung zur Ablösung derselben als unbewältigtes historisches Problem, in dem sich eine kirchen- wie gesellschaftspolitische, jedoch aufgrund eines oftmals rein normativen Zugriffs simplifizierte Stellvertreterdebatte manifestiere. Mittels einer historischen Analyse der kirchlichen Finanzierungsentwicklung im katholischen Bereich im Gefolge der Säkularisation im Königreich Württemberg anhand von 1) Bistumsdotationen, 2) Kirchenfonds und kirchlichen Anstalten sowie 3) Staatsleistungen aus der Säkularisation von Klöstern und Stiften zeigte sich einerseits, dass für den Staat Württemberg der Stiftungs- und Dotationscharakter der neuen Bistümer von zentraler Bedeutung war, da dieser mit dem bischöflichen Ernennungsrecht verbunden werden konnte, andererseits hinsichtlich der Kirchenfinanzierung ursprünglich der Grundsatz der Realdotation galt. Nachdem jedoch in den Frankfurter Verhandlungen stattdessen eine Mischfinanzierung anvisiert wurde und im Königlichen Fundationsinstrument von 1828 das Prinzip garantierter Einkünfte auf Grundlage der königlichen Regentensorge an die Stelle kirchlicher Besitzgüter trat, unterlagen bereits im 19. Jahrhundert die Modelle kirchlicher Finanzierung insbesondere angesichts der mit der Auflösung konfessionell homogener Gebietsumschreibungen verbundenen pastoralen Problematiken massiven Modifikationen. Da jedoch gerade darin der sukzessive Rückzug des Staates aus der Kirchenfinanzierung bis in die 1920er-Jahre grundgelegt war, lag die argumentative Zielrichtung des Vortrags besonders in einer Problematisierung der misslungenen Realdotation.

THOMAS RICHTER (Aachen) gab einen Forschungsüberblick über die Zehntablösungen im 19. Jahrhundert und untersuchte in vergleichender Perspektive die Situation im Großherzogtum Baden, im Königreich Württemberg, in der Landgrafschaft Hessen-Kassel, im Herzogtum Nassau sowie im Königreich Hannover. Weiterführende Bedeutung hatte in diesem Zusammenhang die Frage nach den Zehntablösungen als Modernisierungselement sowie als Entlastungsinstrument in agrarökonomischer Perspektive, wobei Richter gegenläufige Elemente im Ablöseprozess identifizierte und dabei aufzeigte, dass Widerstand gegen derartige Ablösungen oftmals nicht nur von Zehntberechtigten, sondern auch von Zehntverpflichteten kam. Das bereits zeitgenössisch narrativ vermittelte Entlastungsargument wurde dabei vor dem Hintergrund einer Kontinuität der Abgabeleistungen der Bauern sowie deren finanzieller Überforderung mit Ablösezahlungen und kurzen Zahlungszeiträumen hinterfragt, wobei der Analyse der Motivationen hinter dem Verzicht auf Ablöseleistungen weiteres Forschungspotential zugeschrieben wurde.

GERHARD DEISSENBÖCK (München) stellte die historische Entwicklung der Liga Bank und damit zusammenhängend des Klerusverbandes als Zusammenschluss der Diözesanklerikervereine der bayerischen (Erz-)Diözesen dar. Ausgehend von der Erstgründung 1917 als Verband der katholischen Ökonomiepfarrer Bayerns in Regensburg, der zur Verhinderung einer finanziellen Abhängigkeit der Kleriker von nicht-kirchlichen Institutionen diente, sowie der Neugründung 1919 als wirtschaftlicher Verband der katholischen Geistlichen Bayerns erschien die Entwicklung von Bank und Verband im Vortrag dabei in weiten Teilen als „Erfolgsgeschichte“, nicht nur aufgrund der verhältnismäßig großen wirtschaftlichen Stabilität während der Bankenkrise und der NS-Zeit, sondern auch mit Blick auf die Expansion des Geschäftsgebiets wie auch der Geschäftssektoren seit der Nachkriegszeit. Als Desiderat wurde die überregionale Kontrastierung mit andersartigen Konzeptionen von Klerikerlohnsystemen aufgezeigt.

Im Rahmen eines Podiumsgesprächs gab Generalvikar CLEMENS STROPPEL (Rottenburg) Einblicke in die aktuellen Gespräche zwischen Kirchen, Bund und Ländern hinsichtlich der im Koalitionsvertrag der derzeitigen Bundesregierung anvisierten Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen. Als ein Hauptproblem erschienen die Orientierungs- und Bemessungsfaktoren des darin ausgewiesenen „fairen Ausgleichs“. Ausgehend von der These eines kirchlichen Rechtsanspruchs auf eine dem Wert der regelmäßigen staatlichen Leistung gleichgeordnete Entschädigung plädierte er für ein Bundesgrundsätzegesetz, das bei der Ablösung der Staatsleistungen das Äquivalenzprinzips berücksichtigt und so die Kirchen in die Lage versetzt, mit den Erträgen aus der Entschädigung langfristig auch ihren gesellschaftlichen Aufgaben nachkommen zu können. Die anschließende öffentliche Diskussionsrunde wurde unter reger Beteiligung des Auditoriums mitunter emotional geführt und spiegelte damit die enorme Aktualität wie auch das Konfliktpotential des Tagungsthemas wider.

PETER FLECK (Aachen) stellte anhand des 1930 errichteten Bistums Aachen die Problematiken der Bistumsfinanzierung in wirtschaftlich wie politisch angespannten Zeiten heraus, in die auch staatliche Interessenlagen eingeflochten waren. Neben der Gründungsgeschichte des Bistums sowie der Regelung der Staatsleistungen im Preußischen Konkordat von 1929 war hierbei insbesondere der Blick auf die Finanzauseinandersetzung mit der Kölner Mutterdiözese und die vermögensrechtliche Teilung als wirtschaftliche Grundlage der neuen Diözese aufschlussreich. Entscheidend war hier die Erkenntnis, dass – ausgehend von der administrativen Notwendigkeit der Ergänzung der Kölner Erzdiözese durch ein weiteres Westbistums – im Rennen verschiedener potentieller Bistumssitze (Essen, Xanten) letztlich wiederum die Dotationsfrage das größte Hindernis im Vorfeld darstellte: Der wesentliche Grund für die Errichtung des Bistums Aachen lag darin, dass Aachen mit seinen bereits bestehenden Einrichtungen – Dom, Stiftskapitel und Dotation des Stiftspropstes als Kölner Weihbischof – die Finanzierungsfrage für sich entschied und die finanziellen Mehrbelastungen für den preußischen Staat somit in Grenzen gehalten werden konnten. Nicht theologische oder pastorale, sondern funktionale Gesichtspunkte gaben hier den Ausschlag.

CHRISTOPH KÖSTERS (Bonn) zeigte die Finanzierung der in einer doppelten Diaspora-Situation befindlichen katholischen Kirche in der DDR als eng mit den politischen Weichenstellungen der BRD zusammenhängende Verflechtungsgeschichte. Während es dabei etwa ab 1966 mit dem über das Bonifatiuswerk realisierten „Kirchengeschäft C“ offizielle, durch die DBK und die BRD unterstützte Finanzierungsformen kirchlicher Existenz in der DDR gab, zeigte der Vortrag bislang weitgehend unbekannte Wege der Kirchenfinanzierung auf Grundlage der Unterstützung kleinerer Akteure auf. Methodisch stand dabei der exemplarische Blick auf die Spendentätigkeit der deutsch-niederländischen Unternehmerfamilie Brenninkmeijer für die katholische Diaspora in der DDR im Zentrum. Als spendentransferierende Schleuse fungierte die Hauptvertretung des Deutschen Caritasverbandes in Berlin, für die auch die staatlich gewährten Beihilfen der Adenauer-Regierung essentiell waren, die sich dabei jedoch gegenüber einer politischen Vereinnahmung durch den offensiven Antisozialismus derselben zurückhielt. Mehr noch als in der westdeutschen Diaspora trugen die weltanschaulich konnotierten politischen Leitbilder hier zu einem Aushandlungsprozess über die Nähe und Distanz zu den Regierungssystemen auf beiden Seiten bei. Von entscheidender Bedeutung war der Hinweis auf den sukzessiven Wandel in der Motivation dieser umfänglichen Spendentätigkeit von der ursprünglich leitenden Absicht, materielle Not zu lindern, hin zur Zielsetzung, der geistigen Armut der Zeit missionarisch entgegenzuwirken.

Zum Abschluss der Tagung gab HARTMUT BENZ (Köln) einen informierten Überblick über die Finanzpolitik des Heiligen Stuhls, in dem er methodisch von der Doppelstruktur der in zwei Hierarchien separierten Finanzverwaltung von Vatikan und Heiligem Stuhl ausging, dabei jedoch auch ein Schlaglicht auf das Istituto per le Opere di Religione (IOR) warf. Während er dabei die Entwicklung der 1929 eingerichteten Amministrazione Speciale della Santa Sede (ASSS) unter Bernardino Nogara mit seiner konservativen Anlagestrategie und umsichtigen Finanzpolitik als Erfolgsmodell zeichnete, unterzog er die radikale Neuausrichtung der aus der Güterverwaltung des Heiligen Stuhls hervorgegangenen Amministrazione del Patrimonio della Sede Apostolica unter Paul VI. auf Grundlage der Enzyklika Populorum progressio einer wirtschaftspolitisch motivierten Kritik, die er insbesondere an der Begrenzung von Kapitalbeteiligungen von IOR und ASSS, einer klientelistischen Amtsführung und einer undurchsichtigen Art der Entscheidungsfindung festmachte. Als „Lichtblicke“ im Gefolge massiver Kritik am Missmanagement der vatikanischen Finanzverwaltung erschienen bereits im Pontifikat Benedikts XVI. erste Ansätze zur Transparenzförderung, wie die Einrichtung der Finanzaufsichtsbehörde Autorità di Supervisione e Informazione Finanziaria 2010. Dabei wurde für den Pontifikat Papst Franziskus‘ eine Tendenz zur Zentralisierung der Finanzverwaltung als charakteristisch konstatiert, die im Zusammenhang mit der Kurienreform mit einer Entmachtung des Staatssekretariats im Bereich der vatikanischen Finanzpolitik einhergehe.

Systeme der Kirchenfinanzierung, dies machte die Tagung deutlich, sind stets nur aus ihrem jeweiligen historisch-sozialen Kontext heraus zu begreifen. Da die immer weiter gewachsene Distanz insbesondere gegenüber staatlich-kirchlichen Kooperationsformen und die damit zusammenhängende Verschiebung auch des politischen Diskurses somit nicht zuletzt ein Problem historischer Informiertheit darstellt, bot die sehr breit gestaltete Tagungskonzeption, die von der Mediävistik bis zur Zeitgeschichte und von der Kanonistik bis zu zentralen Fragen der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik reichte, eine auch grundlagenbezogene Orientierung in einem hochaktuellen sowie stark umkämpften Diskursfeld. Gerade der Blick auf historische Entwicklungs- und Übergangsprozesse zeigte hier, dass die in ein umfängliches Geflecht aus gewachsenen politischen wie gesellschaftlichen Faktoren eingebettete Finanzierung des kirchlichen Bedarfs letztlich auf eine organische Fortentwicklung und Adaption bestehender Systeme an gewandelte staats- wie gesellschaftspolitische Umstände angewiesen ist, wobei sich Theologie, Pastoral und somit kirchliche Existenz auch in ihrer gesamtgesellschaftlich relevanten Dimension nicht von elementar funktionalen Finanzierungsgrundlagen trennen lassen.

Konferenzübersicht:

Dominik Burkard (Würzburg): „Ohne Moos nix los…“. Eine Einführung

Anna Ott (Mainz): Die Kirchensteuer. Entstehung und Wandel, Nutzen und Probleme

Kirchenfinanzierung in der Vormoderne

Winfried Romberg (Würzburg): Das kirchliche Finanzwesen in der Frühen Neuzeit. Ein Forschungsaufriss (am Beispiel Würzburg)

Daniel Berger (Göttingen): Das Pfründenwesen im Mittelalter. Ein Blick auf die Stiftskirchen im Erzbistum Köln

Nikola Willner (Würzburg): Schicksal und Transformationen einer mittelalterlichen Präbendestiftung

Harm Klueting (Köln): Die „tote Hand“. Kritik an Kirche und Kirchenvermögen im ausgehenden 18. Jahrhundert

Transformation der Kirchenfinanzierung im 19. und 20. Jahrhundert

Dominik Burkard (Würzburg): Der lange Atem der Säkularisation. Die „Staatsleistungen“ als historisches Problem

Thomas Richter (Aachen): Zehntablösungen im 19. Jahrhundert. Versuch eines Überblicks

Gerhard Deißenböck (München): LIGA Bank eG und Klerusverband e. V. Aus der Zeit gefallen oder eine irdische Notwendigkeit ...?

Podiumsgespräch

Generalvikar Clemens Stroppel (Rottenburg) im Gespräch mit Paul Kreiner (Stuttgart): Verfassungsvorgabe und politischer Wille. Zum Stand der von der Bundesregierung angestrebten Ablösung der Staatsleistungen

Peter Fleck (Aachen): Neue Staatsleistungen trotz Weimarer Ablösungspostulat? Die Finanzierung des Bistums Aachen 1929/30

Christoph Kösters (Bonn): Stille Wege von West nach Ost. Unbekannte Kirchenfinanzierung in der DDR

Hartmut Benz (Köln): „I can't run the Church with Hail Marys“. Finanzen und Finanzpolitik des Heiligen Stuhls